Podiumsdiskussion „Islamismus – ist das noch Halal?“

Zu dieser Podiumsdiskussion in Leipzig/Connewitz wurden eingeladen: Fr. Mina Ahadi, Hr. Florian Illerhaus, Hr. Martin Dornis & meine Wenigkeit. Organisiert wurde die Diskussion von der linXXnet / Linksjugend Leipzig.

Ich möchte meine Gedanken zu dieser Diskussion in diesem Text festhalten. Beginnen möchte ich mit einem herzlichen Dankeschön an Michael Neuhaus, der mich kontaktierte. Mein Dank geht auch an das Team, dass diesen Abend ermöglicht hat, sowie an das tolle Moderator-Duo Sinah & Boris.

Vor uns saßen ca. 300 Zuschauer. Die einzelnen Positionen aus meiner Beobachtung der einzelnen Redner waren wie folgt:

1. Fr. Ahadi: Ex-Muslima (Ex-Shiitin), Atheistin & Vorsitzende des „Zentralrat der Ex-Muslime Deutschland“
2. Hr. Illerhaus: Religionswissenschaftler & Mitglied des Netzwerk gegen Islamfeindlichkeit & Rassismus Leipzig
3. Hr. Dornis: Islamkritiker & Mitglied der Leipziger Initiative gegen Islamismus

Zu Beginn wurde die Frage in den Raum geworfen ob „Linke vor einer Moschee demonstrieren sollten“ – Florian Illerhaus & ich waren uns da einig: Das geht gar nicht, schon gar nicht an einem Freitag. Die Frage wurde deshalb in den Raum geworfen, weil die IGI Dezember 2018 gegen die Al-Rahman Moschee, in der Hassan Dabbagh predigt, demonstriert hatte. Hassan Dabbagh, und hier waren wir uns alle einige, predigt Hass. Es ist überhaupt nicht geklärt wie viele Muslime ihm überhaupt zuhören, geschweige denn verstehen, was er da sagt. Vielleicht wäre ja zunächst ein Mal ein Besuch in der Moschee wichtig, bevor man in Hysterie ausartet und durch eine Großdemo Lärm macht.

Ich fand den Widerspruch in dem Satz von Martin Dornis, der für eine Demo plädierte, recht interessant, als er sagte „keineswegs ging es uns darum alle Menschen, die dort beten als Islamisten zu erklären“. Natürlich ging es den ganzen Demonstranten nicht darum, sie standen ja nur mit Bannern mit der Aufschrift „Kick‘ em out – Islamistenzentren dichtmachen“ herum oder „Liberte – Egalite – Laicite, gegen Islamismus & seine Verharmloser“ oder einem aufgeblasenen Hammer mit Israelflagge oder mit dem Plakat „STOPP ISLAMISMUS“ + Stinkefinger, herum um gegen Islamisten zu demonstrieren, die in der besagten Moschee waren. [1]

Meine Empfehlung war es gegen den Aggressor zu demonstrieren, nämlich gegen Hassan Dabbagh, statt die ganze Moschee + die Betenden in Mitleidenschaft zu ziehen. Dass aber der Begriff „Islamismus“ ebenso sehr krass durch Unwissenheit von Martin Dornis missbraucht wurde, wird sich im weiteren Verlauf des Textes zeigen.

Herr Dornis sagte ab Minute 6:50 „Der Islamismus (der bis hierhin überhaupt nicht definiert wurde) stellt gegenwärtig unseres Erachten eine der gefährlichsten Gemeinschaftsideologien dar.“

Meines Erachtens nach ist es nicht „der Islamismus“, der die „gefährlichste Gemeinschaftsideologie“ darstellt, sondern der Rechtsextremismus. Dafür seien hier einige Zahlen & Fakten zu politisch motivierten Anschlägen ab 1990 genannt [2] [3]:

Politische Richtung rechtsextremistisch, neonazistisch, rassistisch, xenophob

—193 Tote [2]

—70 Anschläge [3]

zum Vergleich aus der islamistischen, salafistischen, wahabistischen Richtung

—15 Tote [3]

—9 Anschläge [3]

Und wenn die AfD vom BfV rechtsextrem eingestuft werden würde, kämen wir bei weit als 50.000 Rechtsextremisten. Faktisch ergibt also der Satz „Islamismus ist die größte Bedrohung“ keinen Sinn, wenn man sich die Zahlen objektiv anschaut. Jede einzelne Tat gegen das Leben ist eine Tat zuviel. Die Veranschaulichung der Fakten legt nahe, dass die „größte Bedrohung vor Islamismis“ eher ein subjektiv empfundenes Phänomen ist. Allein die Darstellung des Islam im medialen Spektrum ist ein Indiz hierfür, denn wenn der Attentäter Muslim ist, berichten Medien fünfmal so häufig [4]. Diese Häufigkeit wird noch Mal durch Hetze & Propaganda von Rechtsextremisten, sowie von Menschen wie Martin Dornis, die mit gefährlichem Halbwissen um sich schlagen, untermauert.

Ab Minute 09:00 wird es nur noch abstruser. Martin lobt die AfD in großen Tönen, es fallen Sätze wie „die AfD profiliert sich als EINZIGE islamkritische Partei“, sie hätte eine „Monopolstellung auf diesem Gebiet (Islamkritik)“. Er wirft Islam & Islamismus inflationär zusammen in einem Topf (Mit Islamismus wird Terror verbunden. Durch die Gleichsetzung wird suggeriert, dass Islam = Terror ist.).

Es wird seitens Martin noch paradoxer: In der AfD sollen viele den Islam tolerieren & respektieren, ja vielmehr noch, Björn Höcke trifft sich mit führenden Vertretern der „islamischen Rechten“ (was um Himmels Willen soll das sein? Und was hat er beim Treffen gemacht? Den Muezzin-Ruf getätigt, Takbir gerufen & zusammen mit Muslimen gebetet?)

Hier möchte ich einen Cut machen, denn dieses Chaos an Fehlinformationen & Propaganda führt zu nichts & wieder nichts. Deshalb habe ich auf der Podiumsdiskussion versucht versöhnende Töne anzubringen, mit der Hoffnung, dass wir über konkrete Probleme sprechen, damit konkrete Lösungen ausgearbeitet werden können. Der Versuch Islam ausschließlich im politisch extremistischem Konstrukt zu sehen & keine andere Sichtweise zuzulassen, ist ein peinlicher bis gefährlicher Versuch in die Trickkiste zu greifen.

Vielleicht befasst sich Martin doch noch mit dem Thema in aller Ruhe, denn in diesem [5] Video wird klar gemacht, welche islamistischen Ideologien, Strömungen & Gruppen es gibt, die sich in den letzten 100 Jahren gebildet haben & im globalen islamischen Spektrum ist das eine radikale kleine Minderheit, die eine sehr große Bühne angeboten bekommt.

Zuletzt noch etwas über Fr. Mina Ahadi: Ich fand ihren Satz, dass die überwiegende Mehrheit der Muslime eine Politisierung des Islam ablehnt & selbst Opfer des „politischen Islam“ sind, gut und auch, dass Muslime zuerst Menschen sind. Gleichwohl fand ich es aber kritisch, dass Fr. Ahadi, genau wie Martin, Islam mit Islamismus gleichgesetzt hat. Ab Minute 43:00 antwortet sie auf die Frage „Ist Islamismus konsequent gelebter Islam?“ mit „Nein. Islamismus ist kein politischer Missbrauch des Islam. Islamismus ist eine politische Bewegung, die den Islam verwendet hat und durchgesetzt hat, das ist schon Islam.“

Da stellt sich die Frage ob es für Fr. Ahadi überhaupt einen Islam in Form einer monotheistischen spirituellen Religion, die für Milliarden Menschen Frieden & Zuflucht bietet, gibt? Oder ist Islam ausschließlich eine politische Ideologie? Falls nein, dann hat sich Fr. Ahadi meiner Meinung nach an der Stelle als „Islamismus-Expertin“ disqualifiziert.

Bezeichnend fand ich auch von Fr. Ahadi, dass sie auf die Frage (ab Minute 1:15:00) „Konnten Sie sich für das Kopftuch frei entscheiden“ antwortete, dass es damals kein „islamisches Regime“ in Iran gab. Es war mehr eine „Tradition, Kultur, eine religiöse Sache“ als sie mit 9 Jahren „Chaddor“ (ähnlich eines Nikab) tragen sollte (sie sagt zuerst „musste“, revidiert es aber) & dann später, als sie in der Hauptstadt Teheran war, konnte sie das Kopftuch freiwillig ablegen. Freiwillig ablegen. Hier war der Groschen gefallen. Sie hat sich übrigens auch freiwillig entschieden den Islam zu verlassen. Wurde sie bei dieser freiwilligen Entscheidung gehindert? Nein. Wurde sie unterdrückt? Nein. Sie hat sich gegen den Islam entschieden, zu diesem Zeitpunkt. Die Zeit im „islamischen Regime“ danach ist eine politische Debatte. Keine religiöse. Genau hier muss Fr. Ahadi differenzieren & nicht Islam & Islamismus in einem Topf werfen. Später wurde sie von einem Kollegen von mir gefragt ob sie sich mit dem Koran auskennt, ihre Antwort: „Ich habe den Koran nur ein Mal gelesen, ich kenne mich nicht richtig aus.“

Ich selbst bin religiös strenggläubig. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass man 1. überzeugt ist & 2. sich ausführlich über seine Religion informiert hat. Ich gehöre der Ahmadiyya Muslim Jamaat KdöR an. Wir sind gläubige Muslime, die vor Islamisten aus Pakistan geflohen sind. Wir haben Islamismus selbst erlebt & erfahren. In Pakistan ist uns Religionsfreiheit verboten worden, was eine Verletzung der AEMR ist. Diese Information habe ich auf der Podiumsdiskussion außen vor gelassen, weil ich nicht den Eindruck eines missionarischen Charakters erwecken wollte. Der Unterschied zwischen Fr. Ahadi & mir ist, dass wir zwar beide diese Art der Unterdrückung kennen, sie aber anders wahrnehmen & anders nach außen erklären. Ich glaube, dass eine Aufklärung zum Thema Islam & Islamismus Fr. Ahadi helfen würde diese 2 Themen differenzierter zu betrachten. Ich habe gehofft, dass wir zu einem versöhnenden Konsens kommen, statt uns im Klein-Klein zu verlieren. Mein Angebot für eine Zusammenarbeit gegen Islamismus & Unterdrückung seitens muslimischer Extremisten steht. Jedoch ist eine ausführliche Aufklärung zum Thema Islam & Islamismus äußerst notwendig, denn sonst entsteht stets der Eindruck, dass die kleinste Religiosität eines Muslims ihn direkt zum Islamisten macht. Und das ist fatal.

[1]http://www.lvz.de/Mehr/Bilder/2018/12/Zum-Freitagsgebet-Kundgebung-gegen-islamischen-Fanatismus#chart=1

[2]https://www.belltower.news/mehr-todesopfer-rechter-gewalt-anerkannt-47700/

[3]https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Terroranschl%C3%A4gen_in_Deutschland#Bundesrepublik_Deutschland_(ab_1990)

[4]https://www.heise.de/tp/features/Wenn-der-Attentaeter-Muslim-ist-berichten-Medien-fuenfmal-so-haeufig-3764887.html?seite=all

[5]https://youtu.be/p5KMM6hue_4?t=547

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