„Talk im Hangar-7“ schürt Islamfeindlichkeit

Als Muslim bin ich automatisch der rechten Filterblase unterwegs und kann deshalb die ganzen Angstnarrativen von A-Z rauf und runter. Angefangen vom “Asyltourismus”, weiter zur “Entnazifizierung”, bis hin zur “Islamisierung” und natürlich “Zwang”. Kombiniert lässt sich damit ein gutes verbales Pulverfass füllen:

Neben Hassbotschaften und Morddrohungen auf Facebook kam als Reaktion auf diesen Tweet auch eine Mail: “Sehr geehrter Herr Ahmad, wir von Talk im Hangar-7 planen für diesen Donnerstag, 21.02., eine Sendung zum Thema „Wie politisch ist der Islam?“ (Arbeitstitel). Dazu würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten – vielleicht hätten Sie ja Zeit für ein Telefonat?”

Der Arbeitstitel war wohl nicht so polarisierend, also wurde daraus “Mullah, Mekka, Muezzin – Wie politisch ist der Islam?” – Das Video dazu:

Dennoch: ich war euphorisch gestimmt und rief sofort an – “Wir sind auf einen Tweet von Ihnen aufmerksam geworden.”, “Oh wirklich? Welchen denn?”, “Dort wo Sie sagen: ‘Islamisierung des Landes…’”. Ich fing an zu lachen und sagte “Der Tweet war satirisch gemeint”, ich schwöre euch bei der Islamisierung des Abendlandes: ich war baff und wusste ehrlich gesagt nicht wie man auf diesen Satz dermaßen hereinfallen kann. “Wie haben Sie es denn gemeint?”, “Also: Islamisierung gibt es nicht, das ist ein Begriff, der von der AfD und den Rechten als Synonym für ‘Überfremdung/Volkstausch/Volkstod’ benutzt wird. Ich wollte diesen Begriff positiv besetzen, heißt: mehr Muslime in die Mitte der Gesellschaft = weniger nationalistische Denker, die Angst und Panik vor Muslimen bzw. dem Islam haben.” – Danach sprachen wir über den Titel der Sendung, ich erklärte kurz, dass “Islamismus” der politische Missbrauch der Religion des Islam ist um andere zu unterdrücken. Am nächsten Tag kam dann eine diplomatische Antwort „Hallo Herr Ahmad, für dieses Mal wird es leider nichts mit uns.“ – Ich vermute, dass ich nicht mehr so radikal war um gewisse Klischees zu erfüllen.

Ich staunte nicht schlecht als ich auf der Bühne den provokantesten und billigsten “Islamkritiker” Deutschlands auf der Bühne sah: Hamed Abdel Samad. Ihm gegenüber saß eine Muslima aus der Schweiz, Generalsekretärin des “Islamischen Zentralrat Schweiz”. Neben ihr ein Spezialist für Antisemitismus, der während der Sendung Hameds Händchen durch Blickkontakte hielt, eine Feministin, die für mich einen neutralen und versöhnenden Ton an den Tag legte und ein weiterer Muslim. An dieser Stelle möchte ich klar und deutlich sagen, dass ich mich als strenggläubiger Muslim von den extremistischen Ansichten der “Generalsekretärin des Islamischen Zentralrat Schweiz” hinsichtlich weiblicher Beschneidung und dem einseitigen Bild der Ehe ausdrücklich distanziere. Es sind extremistische Ansichten wie diese, die eine Diskussionskultur vergiften.

Diese Talkshow hatte bereits andere “Islamkritiker” von der Sorte Samad auf der Bühne: Sarrazin, Kelek, Ates usw. usw.. “Streit ums Kopftuch: Retten Verbote die Integration?” – “Machtlos gegen islamische Einflüsse?” – “Wiesinger & Sarrazin: Wie weit darf Islamkritik gehen?” – “Wie politisch ist der Islam?”. Das sind die 4 Sendungen innerhalb des letzten Jahres. Was sagt uns das über die Beziehung dieser Sendung zum Islam? Läuft nicht so gut. Werden versöhnende Lösungen gesucht um diese Beziehung zu verbessern? Wohl kaum. Es ist eine Bühne für Rechtspopulisten und sog. “Islamkritiker”, die ihrer Islamfeindlichkeit im Namen der Religionskritik freien Lauf lassen können.

Zurück zu meinem Tweet. Ich fragte mich wieso diese Talkshow mich gerade bei dem provokativen Islamisierungs-Tweet kontaktierte. Wieso nicht bei dem Tweet von Sep 2018?

Oder wieso nicht bei dem Tweet von Dez 2018?

Oder bei dem hier, auch Sep 2018

Was für ein Eindruck hinterlässt sowas? Dass man erst Recht extrem sein muss, um eine Bühne zu bekommen? Dass man erst Recht provozieren muss, damit man gehört wird? Dass man erst Recht das Pulverfass füllen muss, damit man auf der großen Bühne etwas sagen kann? Welches Bild wird durch diese Schlammschlachten suggeriert? Die guten Islamkritiker, deren Leben wegen ihrer Kritik 24/7 in Gefahr ist und die bösen Muslime, die Europa “islamisieren” wollen? Auch wenn ich die Ansichten der Generalsekretärin nicht teile, so war eine Szene besonders interessant: Sie nannte Hamed radikal. Das ist berechtigte Kritik. Ich hätte Hamed extremistisch genannt. Was folgte jedoch auf diese Kritik als Antwort? Sachlichkeit? Nein. Die Antwort von Hamed war “Radikale wollen mich umbringen, deshalb bin ich für die Radikalisierung zuständig.” – das ist alles andere als Sachlich, das ist kindisch. Hamed ist auf diese Kritik nicht eingegangen, er war beleidigt und hat sofort seinen Opferstatus vorgeschoben. Versteht mich nicht falsch, ich würde mein Leben für Hamed Abdel Samad lassen, wenn er in Gefahr wäre. Hamed ist Opfer von Islamisten, das bezweifle ich nicht. Ich finde aber die Methodik mit diesem Opferstatus jegliche Kritik abzuschmettern, egal wie provokant oder polarisierend sie sei, lächerlich. Es zeigt, dass Hamed Abdel Samad nicht kritikfähig ist und keine Minute aushalten würde, wenn man Face 2 Face seine Methodik kritisieren würde.

Wie politisch ist jetzt nun “der Islam”? Zunächst ein Mal ist “der Islam” kein Subjekt. Und Islam ist weder Politik, noch Kultur. Islam repräsentiert sich durch die Praxis von Muslimen. Hieran und nur hieran lässt sich das Islamverständnis messen. Wenn Muslime die Religion des Islam politisch missbrauchen um andere zu unterdrücken, dann sprechen wir von “Islamismus”, jedoch nicht vom Islam, geschweige denn den von Hamed hochgehaltenen “islamischen Faschismus”. Es gibt keinen “islamischen” Faschismus. Es gibt einen islamistischen Faschismus. Das “wie” in der Frage „Wir politisch ist der Islam?“ ist an der Praxis der Muslime messbar. Islam ist von sich aus erst Mal eine Theorie, eine Idee, eine Religion. Diese Religion, wie jede andere Religion auf der Welt, kann gebraucht oder missbraucht werden.

Des Weiteren sind nicht nur Religionen ausschließlich schuld an den “ganzen Kriegen”, wie so oft leichtfertig von vielen behauptet wird: “Die Enzyklopädie der Kriege, eine umfangreiche 2008 veröffentlichte Studie, listet 1763 Kriege in der Menschheitsgeschichte auf. Nur 123 werden als „religiöser Natur bezeichnet – also nicht mal 7%.“ (Louise Ridley)

Mein Fazit: Ich war offensichtlich nicht extremistisch/radikal genug für diese Sendung, passte also nicht ihr Frame. Für mich schüren solche Sendungen Islamfeindlichkeit in der Bevölkerung. Diese Islamfeindlichkeit ist jene Wut, die wir sowohl in den Ausrastern von Hamed Abdel Samad sehen, als auch in den antimuslimisch rassistischen Übergriffen in Deutschland, von denen es tausende gibt. Wenn sogenannte „Islamkritiker“ Islamdebatten weiterhin dominieren und keine Maßnahmen gegen Islamfeindlichkeit ausgearbeitet und umgesetzt werden, bleiben Muslime weiterhin Zielscheibe von Hass und Hetze. Kritik sollte nur dann legitim sein, wenn sie konstruktiv ist. Die destruktive und reaktionäre „Islamkritik“ von Hamed und Co. ist weder zielführend, noch bietet es konkrete Lösungen.

1 Comment to “ „Talk im Hangar-7“ schürt Islamfeindlichkeit”

  1. Emi Musil sagt:Antworten

    Ganz wunderbarer Artikel.

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